Realschule im Aurain | 01.07.2025
Die Gedenkkultur zum Zweiten Weltkrieg ist ein wichtiger Bestandteil des historischen Bewusstseins in Deutschland. Sie trägt dazu bei, an die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes zu erinnern und die Opfer zu ehren. Ferner soll die Gesellschaft für die Bedeutung von Demokratie, Menschenrechten und Toleranz sensibilisiert werden. Doch rund 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schwindet das Wissen um den Holocaust. Erst kürzlich hat das wieder eine Studie der Jewish Claims Conference belegt. Das mag auch daran liegen, dass diejenigen, die ihn überlebt haben, nur noch wenige sind. Umso wichtiger ist es, ihnen Gehör zu schenken. Deswegen lud die Realschule im Aurain die 96-jährige Ruth Michel-Rosenstock ein, die zu den letzten Holocaust-Überlebenden zählt.
„Den Holocaust überlebt – Ein autobiographischer Vortrag“
„Wir haben heute das große Privileg und die Ehre, Sie, Fr. Michel-Rosenstock, begrüßen zu dürfen,“ so Schulleiter Harald Schmitt in der Aurainhalle. Er betonte zudem die Wichtigkeit dieser Veranstaltung und die hohe Bedeutung des Themas.
Bereits im Vorfeld der Veranstaltung zeigten viele Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 9 und 10 deutlich ihre Neugier und waren gespannt auf den Vortrag, der gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Reinhold-Maier-Stiftung durchgeführt wurde. Und dann kam dieser Moment, als die Zeitzeugin ihren Vortrag begann. Michel-Rosenstock erzählte eindrucksvoll, dass sie den Holocaust nur mit viel Glück überlebt hatte. Als Kind eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter war sie der Willkürherrschaft des NS-Regimes ausgesetzt. Aufgrund dessen war ihre Kindheit geprägt von ständiger Angst und Ausgrenzung – aber auch von Mut und Stärke.
Augenzeugin einer Massenerschießung
Nach ihrer Flucht von Königsberg in die heutige Ukraine erlebte die damals 13-jährige Zeugin einen schrecklichen Moment: Sie sah, wie ihr Vater zusammen mit über 200 anderen Juden bei einer Massenerschießung ermordet wurde. Ihr Überleben verdankte sie nur einem glücklichen Zufall. Trotz all des Leidens, das sie durchlebt hatte, hob Michel-Rosenstock während des Vortrags hervor, dass sie nie den Glauben an sich selbst verloren habe. Sie fühle sich weiterhin für ihre Mitmenschen verantwortlich.
"Die Flucht nach vorne"
Ihre Erinnerungen hat sie in ihrem Buch "Die Flucht nach vorne" veröffentlicht. Dieses erschien im Jahr 2010. „Bis zum Jahr 2010 wusste niemand etwas über die Ereignisse in meiner Vergangenheit“, gab Michel-Rosenstock ehrlich zu. Sie habe viel Zeit gebraucht, über das Geschehene und Erlebte zu sprechen.
Die 96-jährige Holocaust-Überlebende sieht es als ihre Pflicht an, über ihre Erfahrungen zu sprechen, auch im hohen Alter. Dabei wies sie während der Veranstaltung immer wieder auf die Aktualität des Themas Antisemitismus hin und betonte, welche Verantwortung jeder Einzelne für den Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung trägt. Am Ende nutzte die Schülerschaft die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dadurch entstand ein ehrliches wie intensives Gespräch.
Die Realschüler im Aurain bedanken sich ganz herzlich bei Ruth Michel-Rosenstock, die mit ihrem Vortrag einen bleibenden Eindruck hinterließ. Ebenso geht ein herzlicher Dank an die Friedrich-Naumann-Stiftung und Reinhold-Maier-Stiftung, die diese politische Bildungsarbeit proaktiv fördern.