Ingersheim informiert | 02.07.2025
Die Ich-Gesellschaft ist ein Demokratie-Killer – so lautete die Überschrift eines Artikels, welcher vor Kurzem über meinen Kollegen Jürgen Scholz, Bürgermeister in Sersheim, erschien. Er ist schon mehr als 32 Jahre lang Bürgermeister und hat sicher ein gutes Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen.
Meine Beobachtung ist eine ganz ähnliche: viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen ihre eigenen Bedürfnisse und Anliegen in den Vordergrund. Das ist grundsätzlich mal nicht verkehrt und man lernt ja auf jedem Coaching-Seminar, dass es im Leben in erster Linie darum geht, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und seinen Alltag auch an diesen zu orientieren.
Doch was bei all diesem Selbst-Wahrnehmen und Selbst-Bewusstsein nicht vergessen werden darf: dass wir nicht als Einsiedler in einem Konstrukt leben, indem alle anderen das zu erfüllen haben, was uns wichtig ist. Vielmehr sollte es uns allen darum gehen, als Gesellschaft stark zu sein, zu begreifen, dass wir unser Leben nur in der Gemeinschaft leben können und wir in diesem dicht bevölkerten und eng besiedelten Land nicht nur nach uns selbst, sondern eben auch danach schauen müssen, was für die Allgemeinheit funktioniert.
Dafür brauchen wir eine lebendige Demokratie! Dafür braucht es die Fähigkeit, auch zu akzeptieren, dass es Regeln gibt, die mir persönlich im ein oder anderen Fall nicht gefallen. Dafür braucht es auch Toleranz gegenüber Mehrheitsentscheidungen und anderen Meinungen.
Dafür brauchen wir auch Menschen, die bereit sind, sich demokratisch einzubringen und ihre Freizeit und Energie dafür nutzen, Verantwortung zu übernehmen, sich Gedanken über das Gemeinwohl zu machen und auch bereit sind, im Zweifel „Prügel“ für Entscheidungen einzustecken, die aufgrund aller Abwägungen auch manchmal dem ein oder anderen weh tun können.
Deshalb Danke ich an dieser Stelle ganz aufrichtig allen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich im Rahmen der Kommunalwahl im vergangenen Jahr für ein Mandat im Gemeinderat beworben haben! Danke auch an die Gewählten! Es ist nicht selbstverständlich, sich abends in den Ratssaal zu setzen, nach der „normalen“ Arbeit, um sich den Anliegen und Themen der Gemeinde zu widmen.
Die Themen sind oft nicht einfach: klamme Finanzen, ein nicht auszugleichender Haushalt und immer mehr gesetzliche Anforderungen machen es der Gemeinde nicht einfach, ihre Aufgaben zu erfüllen.
Wir stehen vor großen Herausforderungen und ich weiß, dass auch hier die Gespräche und Diskussionen, die anstehen, nicht einfach werden. Klar ist für mich auch: wir dürfen unser Gemeinwohl, die Kultur, die Musik, das Miteinander nicht so stark beschneiden, dass unseren Vereinen die Luft zum Atmen genommen wird. Wir brauchen Sie: die Turnleiterinnen, die Musiklehrer, die Trainerinnen und Trainer, die Ehrenamtlichen auf allen Ebenen! Ihre Gemeinde Ingersheim will Sie weiterhin unterstützen.
Für mich ist klar und ich möchte diesen Abend auch dafür nutzen, diese Botschaft zu senden: in den Gemeinden findet das Leben statt. Das echte Leben. Als Bürgermeisterin habe ich es täglich mit den Belangen der unterschiedlichsten Menschen zu tun. Die Gemeinden erleben, was die Menschen bewegt, wo die Sorgen und Befürchtungen liegen. Wir Gemeinden sind die Basis unseres Landes. Wir brauchen starke Städte und Gemeinden. Wir brauchen eine funktionierende Infrastruktur, wir brauchen bezahlbare Kinderbetreuungsangebote, wir brauchen sinnvolle Rahmenbedingungen für unsere Ehrenamtlichen, sei es in den Vereinen oder anders organisiert.
Deshalb gehören wieder mehr Kompetenzen und Entscheidungsfreiheiten auf die Ebene der Gemeinden. Eine bessere finanzielle Ausstattung der Gemeinden ist nicht nur nett zu haben, sondern aus meiner Sicht wichtig für das Vertrauen der Menschen in ihr Land und die Entscheidungsträger auf örtlicher und überörtlicher Ebene.
Wir brauchen das Geld, das der Bund den Gemeinden in Aussicht stellt. Aber nicht in Form von Förderprogrammen, sondern in Form von Geld in der Kasse. Wir vor Ort wissen, was wir brauchen und wir vor Ort investieren in die Menschen vor Ort, die hier leben.
Doch worauf ich auch sehr deutlich hinweisen möchte: es ist nicht in Ordnung nur auf die anderen Ebenen zu zeigen und Forderungen zu stellen. Wie erfolgreich das sein kann, ist ohnehin fraglich.
Was unbedingt notwendig ist: mehr Anpacken vor Ort, mehr Zusammenhalt vor Ort, mehr „Einfach machen“ und weniger „das geht nicht weil“….
Wie dies gelingen kann, hat uns die Verwirklichung unseres Jugendtreffs im vergangenen Jahr gezeigt. Hier haben Ehrenamtliche, unsere örtlichen Bauunternehmen und Handwerksbetriebe, die Hochschule für Technik in Stuttgart und Konstanz, die Gemeinde, die Landkreisbehörde und Einzelpersonen gemeinsam angepackt, entschieden, gemacht. Herausgekommen ist ein Bauwerk, welches in Rekordgeschwindigkeit geplant und gebaut wurde.
So schnell, dass es fertig war, bevor die Nutzung überhaupt definiert werden konnte. So schnell, dass der Bau der Außenanlagen, für welche wir Fördermittel beantragt haben, erst jetzt im September starten können. So schnell, dass auch wieder Bruddler unterwegs sind und sagen: da sieht’s ja unmöglich aus drumherum, nicht mal das können sie, eine gescheite Außenanlage bauen.
Doch, das können wir. Nur die „normalen Abläufe“ dauern einfach länger, weil es Abstimmungsbedarf gibt, weil Fördermittel unglaublich lang brauchen, bis sie bewilligt werden, weil die Umsetzung an Auflagen gekoppelt ist.
Mein Wunsch an uns alle: mehr Geduld miteinander, mehr Vertrauen ineinander, mehr Bereitschaft auch, sich zu informieren, statt rauszuposaunen. Ein gutes, freundliches Miteinander bedeutet nicht, oberflächlich harmonisch zu sein. Es bedeutet menschlichen Umgang. Es bedeutet Respekt. Es bedeutet, miteinander ins Gespräch zu gehen, statt übereinander zu sprechen.
Wie wäre es, Fragen direkt zu adressieren, statt Mutmaßungen in den Raum zu stellen, wie etwas wahrscheinlich ist?
Anstatt zu sagen „das Rathaus will uns nur Steine in den Weg legen“ – kommen Sie zu meiner Einwohnersprechstunde und wir klären Ihre Anliegen. Das funktioniert übrigens sehr gut, wie ich schon zigfach erleben durfte.
Ingersheim schafft Gemeinschaft ist nicht ein leerer Slogan, der nett klingt. Es ist für mich eine Aufgabe und eine Leitlinie. Weil Gemeinschaft in uns Menschen wirkt. Es ist das Gegenteil von Einsamkeit. Einsamkeit macht krank. Einsamkeit isoliert.
Gemeinschaft kann Dinge möglich machen, kann über Hürden hinweghelfen, kann Dinge in Bewegung setzen.
Und das Schöne daran ist: Jede und Jeder von uns kann sich hier in Ingersheim einbringen. Dafür haben wir in den letzten Monaten viele Angebote initiiert und mit Ideengebern umgesetzt. Das Ingersheimer Repair Café, das Strick-Café, das Erzähl-Café, die Wengerter auf Probe (Schlossbergschaffer), die Lesepatinnen und noch vieles mehr, was teils auch im Kleinen stattfindet.
Danke an Alle, die hier mitwirken und mitgestalten. Die am Zusammenhalt arbeiten und Menschen Freude und Unterstützung bieten!
Gemeinschaft funktioniert in Ingersheim auch über Grenzen hinweg. Deshalb freue ich mich von Herzen, dass Du liebe Denise, heute aus Ingersheim im Elsass extra angereist ist. Wir sind uns verbunden über die Staatsgrenze hinweg. Schon über 25 Jahre! Herzlich Willkommen nochmal hier in Ingersheim.
Ich freue mich, dass Du da bist.
Unterrubriken: