NABU Ortsgruppe Hessigheim | 30.07.2025
Zugegeben, schön sind sie nicht: Rückegassen mit tiefen, pfützendurchzogenen Fahrrinnen, tote Holzstämme oder Tierkadaver. In der Ökologie des Waldes spielen sie jedoch eine wichtige Rolle. Alle drei bilden bedeutende Biotope für unzählige Tiere und Kleinstlebewesen. Für sie sind diese Brutstätten überlebenswichtig.
Ein Waldspaziergang ist Erholung pur. Schon die Bewegung tut gut, dazu kommt ein Feuerwerk für die Sinne: das frische Grün, der Duft von Laub und Fichtennadeln, das Moos unter den Sohlen. Kein Wunder, dass es die Menschen scharenweise in den Wald zieht. Jedes Jahr allein in den Naturpark Schönbuch südwestlich von Stuttgart. Sie wollen Pilze finden, einen Specht trommeln hören, Eichhörnchen beobachten oder sogar ein scheues Reh.
Und wenn die Menschen dann so eine Rückegasse sehen, wo die Holzerntemaschine Fahrspuren in den Dreck gedrückt hat, dann regen sich manche fürchterlich auf. Wer naturkundliche Führungen im Wald mitgemacht hat, sieht solche Fahrspuren mit anderen Augen an. Denn darin bilden sich Pfützen, in denen sich die streng geschützte Gelbbauchunke (Bombina variegata) vermehrt. Die hässlichen Furchen sind also ein wertvolles Biotop für diese stark gefährdete Amphibienart. Besser gesagt: fast das einzige Refugium, das ihr in unserer Kulturlandschaft geblieben ist. Ihre natürlichen Lebensräume, die regelmäßig überschwemmten Auen der Bäche und Flüsse, wurden schon im vorletzten Jahrhundert bis auf wenige Reste zerstört. Und so ist die Gelbbauchunke eben in den Wald gewandert, wo durch die Forstwirtschaft passende Ersatzlebensräume für sie entstanden sind.
Tatsächlich sind die wassergefüllten Fahrrillen, die ebenso zufällig wie verlässlich bei der Holzernte entstehen, heute die mit Abstand wichtigsten Laichgewässer der Gelbbauchunke. Das ergab ein Forschungsprojekt der Universität Hohenheim im Naturpark Schönbuch und fünf weiteren Flächen in Baden-Württemberg. Ähnlich gut geeignet sind nur Quellen, Wildschweinsuhlen oder Pfützen in den Mulden entwurzelter Bäume – allesamt Mangelware. Dagegen fallen die Fahrspuren bei der Holzernte jedes Frühjahr von Neuem an. Also genau dann, wenn die Unken aus ihrer Winterstarre erwachen und sich fortpflanzen wollen. Fließende und dauerhaft stehende Gewässer wie Tümpel oder Seen sind für diese Amphibien ungeeignet. Dort werden ihre Eier und Kaulquappen von Fischen, Molchen und Libellenlarven gefressen. Nur in frisch gebildeten Pfützen ohne Feinddruck können genug Kaulquappen heranwachsen und an Land kriechen.
Die braunen Lurche mit dem grell gefärbten Bauch scheinen das zu wissen. Während andere Frösche, Kröten und Molche zum Laichen an die Gewässer ihrer Geburt zurückkehren, hält die Gelbbauchunke Jahr für Jahr nach neuen Kinderstuben Ausschau. Sie nimmt dafür weite Wanderungen in Kauf, nachweislich bis zu vier Kilometer. Dabei sind die Tiere eigentlich recht ortstreu, sofern sie in der Umgebung stets neue Pfützen finden. Dann lassen die Weibchen den ganzen Sommer mal hier, mal dort bis zu einem Dutzend Eier ins Wasser gleiten – und erhöhen damit die Chance, dass genügend Nachwuchs überlebt. (wird fortgesetzt)