NABU Ortsgruppe Hessigheim | 12.11.2025

Manche Arten sind wahre Überlebenskünstler: Sie trotzen sowohl Hitze wie auch Kälte, fühlen sich in Süß- und in Salzwasser wohl oder gedeihen auf kargen ebenso wie auf nährstoffreichen Böden. Die Fähigkeiten nennt man Eurypotenz. Das altgriechische „eurys“ bedeutet „breit“ und bezieht sich hier auf den großen Toleranzbereich einer Art gegenüber stark schwankenden Umweltfaktoren. Besonders wichtig ist eine solche Anpassungsfähigkeit in Lebensräumen, die sich ständig verändern.
Ein gutes Beispiel sind Brackwasserzonen wie Flussdeltas, wo Süß- und Salzwasser aufeinander treffen. Dort schwankt der Salzgehalt je nach Tages- oder Jahreszeit erheblich, sodass die dort ansässigen Lebewesen einem dauernden osmotischen Stress ausgesetzt sind. Durch Veränderungen im Salz- und Wasserhaushalt geraten ihre Zellen unter Druck und müssen sich immer wieder zusammenziehen oder aufquellen, was dem Organismus viel Energie abverlangt. Da nur wenige Tiere dem standhalten können, ist die Artenvielfalt in Brackgewässern eher gering. Dennoch haben sich hier Insekten, Reptilien, Pflanzen, Fische und Weichtiere angesiedelt - alle mit ganz eigenen Strategien. Man bezeichnet sie als euryhalin.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Diamantschildkröte (Malaclemys terrapin). Sie lebt in Salzmarschen und Flussmündungen und verfügt über eine Drüse hinter dem Auge, mit der sie überschüssiges Salz ausscheiden kann. Ihre Haut ist zudem nahezu undurchlässig dafür und selbst für Wasser. Steigt der Salzgehalt der Umgebung, frisst sie weniger und vermeidet so die Aufnahme zu großer Salzmengen. Trinkwasser nimmt sie ausschließlich in Form von Süßwasser auf, etwa nach einem Regenschauer.
In anderen Lebensräumen ist nicht der Salzgehalt, sondern die Temperatur der entscheidende Faktor. Arten, denen selbst große Wärme- und Kälteschwankungen nichts ausmachen, nennt man eurytherm. Ein bekanntes Beispiel ist der Orca. Die Meeressäuger bewegen sich meist in Gruppen und kommen in fast allen Breitengraden der Erde vor. Sie können Wassertemperaturen vom Gefrierpunkt bis 35 Grad Celsius standhalten. Ihre dicke Speckschicht unter der Haut wirkt stark isolierend, was sie in kaltem Wasser vor Wärmeverlust schützt, während sie durch die Regulation der Durchblutung in Flossen und Fluke bei steigenden Temperaturen überschüssige Wärme abgeben können. Dieser Mechanismus erlaubt es den Orcas, ihren Energiehaushalt stabil zu halten und so tolerant gegenüber unterschiedlichen Temperaturbereichen zu sein.
Eurypotente Arten zeigen eindrucksvoll, wie Leben auch außerhalb des Idealbereichs gedeihen kann. Ob in Brackwasserzonen, tropischen Regionen oder in unseren Städten – Flexibilität ist das Erfolgsrezept zum Überleben. Angesichts des Klimawandels und sich verändernder Lebensräume gewinnt es zunehmend an Bdeutung.